Steillagen: Handarbeit für erstklassige Weine

Württemberg ist das Land der Steillagen in der deutschen Weinlandschaft.  Kein anderes deutsches Anbaugebiet verfügt über eine größere Steillagenfläche. 

Warum hier das traditionelle Handwerk der Winzer im Vordergrund steht, lest Ihr im Folgenden.

Trockenmauern, Terrassen und spektakuläre Ausblicke

In Württemberg und Baden liegen einige der steilsten Weinberge Deutschlands. Bei Neigungen von bis zu 75 Grad (das ist Landesrekord – wo Ihr ihn findet, lest Ihr weiter unten) bieten Steillagen spektakuläre Ausblicke.

Wir sprechen in diesem Beitrag von den terrassierten Steillagen – das sind diejenigen, in denen durch den Bau von Weinbergmauern Terrassen geschaffen wurden, in denen wiederum die Reben angepflanzt sind. Schöne Beispiele hierfür findet Ihr entlang des Neckars, unter anderem in Esslingen, Bad Cannstatt, Untertürkheim und dann weiter neckarabwärts in Ludwigsburg, Marbach, Hessigheim, Besigheim, Walheim, Mundelsheim, Kirchheim und Lauffen. Diese Terrassen und Trockenmauern prägen den Weinsüden – und natürlich Württemberg. Ganz nebenbei bieten sie Heimat für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Darüber haben wir an anderer Stelle im Weinheimat Blog schon geschrieben.

In diesen Lagen schaffen es die in den flachen Lagen üblichen Maschinen, wie zum Beispiel Schmalspurschlepper, nicht. Und so müssen die Winzer hier ganz traditionell im Weinberg immer noch Hand anlegen, ohne maschinelle Unterstützung. Die Trockenmauern für den Weinbau in Steillagen zu bauen und zu pflegen ist eine zeitintensive und knochenharte Arbeit.

Die Kunst der Handarbeit im Weinbau

Die Handarbeit im Steillagen-Weinbau ist eine Kunst, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Sie erfordert nicht nur körperliche Stärke, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Rebstöcke und eine enge Verbindung zur Natur.

Gehen wir die wesentlichen Tätigkeiten im Weinberg im Laufe des Jahres einmal zusammen durch. Hier sind einige der wichtigsten Aufgaben, die von den Winzern in den Steillagen von Württemberg erledigt werden:

  • Rebschnitt: Der Rebschnitt zu Anfang des Jahres ist entscheidend, um die spätere Ertragsmenge zu regulieren. Und damit dann auch die Qualität der Trauben und in der Folge des späteren Weines zu optimieren. Beim Rebschnitt wird jeder Rebstock von Hand geschnitten, unabhängig davon, ob er sich in der Steillage oder in flacherem Gelände befindet. Mehr zum Rebschnitt lest Ihr hier.
  • Rutenbiegen: Hierbei bringen die Weingärtner die Reben in Form. Denn die Rebe hat als Lianengewächs die Tendenz, in die Höhe zu wachsen. Dies ist aber nicht im Sinne unserer Weingärtner und des späteren Weines. Deshalb erzieht der Weingärtner die Reben, indem er die Ruten in einem Drahtrahmen fixiert – so entstehen Bögen. Die Beeren werden so perfekt mit Nährstoffen versorgt. Auch diese Tätigkeit wird unabhängig von Steillage oder Flachland von Hand ausgeführt. Mehr dazu findet Ihr hier.
  • Bodenbearbeitung: Bei der Bodenbearbeitung fallen im Wesentlichen zwei Aufgaben an. Zunächst das sogenannte Aufschließen des Bodens. Hierbei lockert der Weingärtner den Boden, damit dieser in der Folge Wasser und ausgebrachte Nährstoffe besser aufnehmen kann. In der Folge geht es dann an das Düngen des Bodens. Beide Tätigkeiten können im Flachland problemlos maschinell durchgeführt werden, in der Steillage dagegen muss der Weingärtner sie von Hand ausführen. Auch hierzu gibt es einen kompletten Blogbeitrag, und zwar hier.
  • Laubarbeiten: Ab dem Frühjahr spielen die Laubarbeiten beziehungsweise das Ausbrechen von Trieben eine große Rolle. Das Entfernen von Blättern rund um die Traubenzone ist wichtig, um die Luftzirkulation zu verbessern und das Risiko von Pilzkrankheiten zu verringern. Außerdem kommt durch das Entfernen des Laubes mehr Sonne an die Trauben, was aus Qualitätssicht erwünscht ist. Auch diese Aufgabe erfordert präzise Handarbeit – und zwar unabhängig von Steil- oder Flachlagen. Mehr dazu hier.
  • Grünlese/Ausdünnen: Um hochwertige Trauben zu erhalten, werden überschüssige entfernt. Dies sorgt dafür, dass die verbleibenden Früchte alle Nährstoffe und die volle Aufmerksamkeit der Rebe erhalten. Auch hier ergibt sich kein Unterschied zu flachen Lagen. Details hierzu lest Ihr hier.
  • Schädlingsbekämpfung: Sie unterscheidet sich im Aufwand erheblich zwischen Flach- und Steillagen. Während die Schädlingsbekämpfung in den flacher gelegenen Reben problemlos mit Maschinen erledigt weren kann, muss dies der Steillagenwinzer von Hand erledigen. Erst seit wenigen Jahren laufen auch in den Steillagen Versuche, diese Aufgabe durch Drohnen erledigen zu lassen.
  • Lese: Die Lese in den Württemberger Steillagen erfolgt ebenfalls von Hand, da Vollernter gar nicht erst in die steilen Hänge und Terrassen hineinkommen. Die Lese in Steillagen ist äußerst mühsam, es müssen steile Wegstrecken mit etlichen Höhenmetern zurückgelegt werden. Dazu kommt die durch den höheren Einstrahlwinkel der Sonne sehr hohe Temperatur in der Steillage, die die Arbeit zusätzlich erschwert.
  • Landschaftspflege: Ein wichtiger Nebeneffekt, der bei Winzern mit Reben in flachen Lagen weitgehend entfällt, beim Steillagenwinzer dagegen äußerst relevant ist, ist die Landschaftspflege. Ohne die Trockenmauern, die die Terrassen in der Steillage halten, würden diese erodieren, beziehungsweise bei stärkeren Niederschlägen womöglich abrutschen. Die Trockenmauern müssen intensiv gepflegt werden, sonst stürzen sie ein. Und – besonders schlimm: Reißen die Mauern benachbarter Weinberge gleich mit. Dies gilt es zu verhindern.

Ihr seht also: Bei der Bodenbearbeitung, der Schädlingsbekämpfung, der Lese und für die Landschaftspflege entsteht in der Steillage ein erheblicher Mehraufwand für unsere Weingärtner. Wie sich dieser quantifizieren lässt, lest ihr gleich.

Steillagen pur: Das Weinbergwerk

Wusstet Ihr, dass es sogar unter unseren Württemberger Weingärtnergenossenschaften eine gibt, die sich auf Weine aus der Steillage spezialisiert hat? Die Weinbergwerk eG! Die Weinbergwerk eG wurde 2015 von mehreren, bereits existierenden, unserer Weingärtnergenossenschaften gegründet, und zwar von den Lauffener Weingärtnern, der Felsengartenkellerei Besigheim und der Lembergerland Kellerei Rosswag. Später kamen noch die Weingärtner Esslingen – inzwischen Teamwerk Esslingen – dazu. Zusammen stehen diese vier Genossenschaften für rund 85 Prozent des Württemberger Steillagenweinbaus. Ramona Fischer vom Teamwerk Esslingen hat uns erzählt, was hinter dieser Gründung stand: „Der gemeinsame Nenner ist die mit Trockenmauern terrassierte Steillage – und unsere gemeinsamen Weine daraus.“ Man wolle gerne Württembergs Steillagen auch außerhalb Württembergs bekannter machen. „Viele wissen ja noch gar nicht, dass es auch bei uns Steillagen mit dieser Art Terrassierung gibt und denken beim Stichwort Steillage beispielsweise an die Mosel.“

Fünf der spektakulärsten Steillagen in Württemberg könnt Ihr Euch in diesem Blogbeitrag ansehen.

Fakten zum Thema Steillagen im Weinbau

Wusstet Ihr, dass…

1.200 Stunden pro Hektar und Jahr der Aufwand ist, mit dem bei der Bewirtschaftung von Steillagen gerechnet werden muss? Das ist deutlich mehr als bei einem Wengert in der Fläche, wo etwa 400 Stunden anfallen. Zudem müssen die Weingärtner je nach konkreter Beschaffenheit der Lage teilweise oder ganz auf maschinelle Hilfe verzichten. Dies macht die Arbeiten gerade bei Hitze zu einer körperlichen Herausforderung.

30 Prozent Hangneigung in den meisten Anbaugebieten das Kriterium für die Einstufung als Steillage ist? Nur einen Wengert, der über diesem Wert liegt, dürfen wir als Steillage bezeichnen. Berühmt ist zum Beispiel der Bremmer Calmont an der Mosel. Hier wird ein Gefälle von 68 Grad erreicht. In Baden-Württemberg gilt der Bühlertäler Engelsfelsen bei Baden-Baden als steilste Lage, mit 75 Grad.

Rund 800 Hektar an Rebfläche in Württemberg auf terrassierte Steillagen entfallen? Dazu kommt eine noch größere Fläche an unterrassierten Steillagen.

70 Grad Celsius die Spitzentemperatur ist, die die Steinmauern der Weinbergterrassen im Sommer erreichen? Die Mauern speichern tagsüber diese Wärme und geben sie abends und nachts wieder an die Umgebung ab. Sie sind zudem mit ihren vielen Lücken und Nischen ein idealer Rückzugsort für viele wärmeliebende Kleintiere.

243 Millionen Jahre vergangen sind, seit sich die Kalkschicht gebildet hat, die vielfach in den Steillagen an Neckar und Enz zu finden ist? Der Muschelkalk verleiht den Weinen aus diesen Lagen eine besondere Struktur – sie zeigen oftmals prägnanten Schliff, eindrückliche Länge und unverwechselbaren Charakter. Aus dem Zusammenspiel von Boden und Klima, aus dem Terroir, entstehen Weine für wahre Genießer.

Diese Beiträge rund um das Thema, Steillagen im Weinbau und Weine, könnten Euch auch interessieren:

Ein interessantes Video über Reinhold Reuschle von der Felsengartenkellerei Besigheim, der in seinem Weinberg die Trockenmauern komplett neu aufgebaut hat, findet Ihr hier:

Trockenmauern in Steillagen: Was ist beim Bau wichtig?

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Allgemeine Infos rund um die Württemberger Steillagen und ihre Bewohner gibt es an dieser Stelle im Weinheimat Blog.
Ein weiteres Video, diesmal rund um neue Rebsorten in der Steillage, findet Ihr hier.
Und ein weiteres hochspannendes Projekt, bei dem Ihr an der Steillage teilhaben könnt, durchgeführt von der Lembergerland Kellerei Rosswag, findet Ihr hier.
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