Innovationslust: Kreative Erzeugnisse

Wenn Ihr an die Württemberger Weingärtnergenossenschaften denkt, darf ruhig auch das Stichwort Innovation fallen.

Falls es dies bis dato noch nicht tut, nennen wir Euch heute ein paar sehr gute Beispiele, wo Ihr der Lust auf Innovation in der Arbeit unserer Weingärtner begegnet.

Orange Wine

Falls Weiß, rot und rosé die einzigen Farben sind, die Ihr mit Wein in Verbindung bringt, hätten wir heute etwas Neues für Euch: Orange Wine! Genau, Wein, der eine (zumindest fast) orange Färbung hat. Wie kommt dies?

Ganz grob gesagt, ist Orange Wine einfach eine SEHR spezielle Form des Weißweins. Und zwar ein Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wurde. Was heißt das? Bei der Erzeugung von Weißwein werden die Trauben recht schnell von ihren Schalen getrennt. Oder anders gesagt: Der Saft wird abgepresst und vergoren. Zum Vergleich: Beim Rotwein lässt man Saft und Schalen beieinander, man lässt ihn auf der Maische stehen, unter anderem, damit er seine charakteristische Farbe bekommt.

Und genau so handhabt der winzer das jetzt eben auch beim Orange Wine. Das heißt: Anders als bei der Weißweinerzeugung lässt er auch hier den Saft auf der Maische stehen. Dadurch hat jetzt auch die weiße Traubenhaut die Chance, ihren ganz charakteristischen Farbton stärker an den Saft abzugeben. Und ganz nebenbei übrigens auch die Tannine (die Ihr ja sonst eher vom Rotwein her kennt), denn auch sie sitzen vor allem in der Schale. Die Farbe, die hierbei im Wein herauskommt, ist dunkelgelb bis orange.

Eine weitere Besonderheit des Orange Wine ist, dass man ihn in der Regel nicht klärt, das heißt er ist meistens trüb.

Eigentlich der ursprünglichste aller Weine

Übrigens: So ungewöhnlich Euch das mit dem Orange Wine vorkommen mag, es gibt Länder, da ist genau diese Art der Erzeugung die absolut normale. Ganz vorneweg in Georgien. Wahrscheinlich ist diese Art, Wein zu erzeugen, sogar die älteste überhaupt. Auch im Grenzgebiet des italienischen Friaul zu Slowenien gibt es sie schon länger. Dort wird die Rebsorte Ribolla Gialla (Gelber Ribolla) zu Orange Wine ausgebaut. 313 Flaschen – und die gibt es so nur aus dem Jahrgang 2020!

Man muss also in gewisser Weise vorsichtig sein mit dem Wort Innovation in diesem Zusammenhang. Aber außergewöhnlich für Deutschland ist Orange Wine allemal.

Eine kleine Warnung sei dann doch erlaubt: Die sehr spezielle Art der Erzeugung sorgt dafür, dass Orange Wine auch eine für nicht ganz so erfahrene Gaumen spezielle Geschmacksnote hat. Tastet Euch langsam vor – eine vielschichtige Aromatik mit feinem Schmelz und grandioser Fülle. In der Regel harmoniert Orange Wine mit kräftigem Fisch, dunklem Fleisch oder auch einer Rohmilchkäse-Auswahl.

Orange Wine gibt es bei den Fellbacher Weingärtnern und der Weinmanufaktur Untertürkheim.

Wein aus dem Betonfass

Ein echter Exot ist auch der Wein aus dem Betongebinde. Ihn haben die Lauffener Weingärtner im Sortiment. Und zwar den Silvaner trocken „Betonique“. Eine weitere Innovation.

Statt aus Holz oder Edelstahl ist das Fass – wenn man das Gebinde überhaupt so nennen darf – aus Beton. 1.800 Liter kann es aufnehmen, hat die Form eines Eies und steht aufrecht. Seine Besonderheit ist, dass es eine Mikro-Oxygenation durch seine Betonwand ermöglicht. Und: Die Feinhefe wird in diesem Fass in einem konstanten Strom durch die Mitte nach oben bewegt, was wiederum zu einer behutsamen, gleichmäßigen Verteilung. Dadurch wird die Gärung behutsamer und weniger reduktiv vollzogen als im Edelstahl-Gebinde.

Gibt es auch einen Vorteil gegenüber dem klassischen Holzfass? Klar! Der Einfluss des Holzes auf den Geschmack des Weines, der ja beim Holzfass ausdrücklich erwünscht ist, entfällt beim Fass aus Beton.

Das Betonfass, in dem der Betonique Grauburgunder trocken der lauffener Weingärtner reift

Das Nomblot® Betongebinde, in dem der Betonique Grauburgunder der Lauffener Weingärtner reift Foto: Benjamin Stollenberg

Der Silvaner trocken „Betonique“ verfügt über exotische Ananasnoten, ist mineralisch, erdig, mit Aromen grüner Apfel und einem langanhaltenden Nachgeschmack. Ein Wein mit Potenzial, der gut zu Enten- oder Gänsebraten, Schweine-Medaillons mit Sahnesauce, frischen Salaten oder mildem Käse passt.

Whyne: Reifung in gebrauchten Spirituosenfässern

Und weil eine Innovation den Lauffenern noch nicht genug war, kommt hier gleich noch ein weiterer exotischer Genuss: Wein aus Fässern, in denen zuvor Spirituosen erzeugt wurden.

Ganz konkret sprechen wir von einer Rotweincuvée, die in Fässern gereift wurde, die zuvor zur Reifung von schottischem Whisky genutzt wurden. Was dabei entsteht, darf sich übrigens nach deutschem Weinrecht nicht Wein nennen, sondern ist dann offiziell ein aromatisiertes, weinhaltiges Getränk.

Wein meets Whisky

Bild: Blumenhardt

Marian Kopp, Geschäftsführender Vorstand der Lauffener Weingärtner eG, sieht für den Whyne ein interessantes Liebhaber-Segment: „Der WHYNE ist interessant für bisherige Rotweinfreunde und für Spirituosen-Liebhaber: Durch seine ansprechende Aromatik, Würze, Tiefe und einem Nachhall, getragen von einer dezenten Whisky-Aromatik, erreichen wir Rotweinliebhaber, aber auch ganz neue Zielgruppen“, erklärt er.

Der Name wurde bewusst zweideutig gewählt. Sowohl der Wein als auch die Whisky Aromen durch die Lagerung in den Fässern finden sich darin wieder. Kellermeister Michael Böhm beschreibt den Geschmack des WHYNE als „vollmundig und kraftvoll mit üppigen Fruchtaromen von Kirschen und schwarzen Johannisbeeren“. Dazu kommen die „typischen, von Vanille und Karamell geprägten Röstnoten sowie reifer, rauchiger Aromatik aus den Hogsheads“, erklärt er.

Die Spirituosen Fässer in denen der WHYNE gelagert wurde.

In diesen Fässern reift der Whyne, Foto: Blumhardt

Aromatisiertes, weinhaltiges Getränk

Und wie setzt sich der WHYNE genau zusammen? Das weiß Vorstandsvorsitzender Dietrich Rembold. „Wir haben einige unserer besten Rotweine in speziell ausgesuchten Barrique-Fässern reifen lassen“, sagt er. In diesen Fässern reifte zuvor hochwertiger schottischer Whisky. „Unsere Kellermeister vereinen hier ihr Können um die hochwertige Weinbereitung mit der Tradition der Spirituosen-Reifung – in dieser Komposition vereinen sich die Primär-Aromen der Weine in exzellenter Weise mit der besonderen Würze aus den dezenten Aromen der verwendeten Fässer und deren Erstverwendung“, schwärmt er.

Zu kaufen gibt es den WHYNE im Handel und im Online Shop der Lauffener.

Unfiltrierte Weine aus dem Bottwartal

Ein weiteres Feld, auf dem unsere Weingärtner ihre Lust auf Innovation ausleben, ist unfiltrierter Wein. Hier waren jüngst die Bottwartaler Winzer aktiv.

Unfiltrierter Wein zeichnet sich dadurch aus, dass er eine extreme Authentizität hat. Denn: Die sogenannten Trübstoffe, die dem Wein beim Filtrieren entzogen werden, damit er schön klar bei Euch im Glase landet, gehören eigentlich zum Wein dazu. Es sind, so betrachtert, „seine“. Beim unfiltrierten Wein dürfen sie deshalb drin bleiben. Dies hat geschmacklich einen klaren Vorteil, denn beim Filtrieren und Klären geht eben auch ein gewisser Teil der Aromen verloren, auch ein Teil der Fülle – und für einige Weingenießer damit ein gewisser Teil seines Charakters. Umgekehrt formuliert: Lässt man den Wein unfiltriert, sind das Aroma, die Textur (logisch, sind ja jetzt Trübstoffe mit drin), Struktur und auch das Säure-Empfinden beim Trinken ein anderes.

Bei uns werden fast ausschließlich die sogenannten Naturweine unfiltriert hergestellt. Bei diesen wird im gesamten Erzeugungsprozess möglichst wenig eingegriffen. Ein Beispiel hierfür ist der oben besprochene Orange Wine.

Den beschriebenen unfiltrierten Wein gibt es bei den Bottwartaler Winzern in weiß und in rot.

Craft Bier aus Fellbach

Jetzt werdet Ihr sagen: Moment mal, Craft Bier ist ja wohl kein Beispiel für die Innovation eines Winzers. Er soll sich ja um Wein kümmern und nicht um Bier.

Die Fellbacher Weingärtner aber haben sich dennoch hierauf eingelassen und ein ganz individuelles, „ihr eigenes“ Craft Bier kreiert – das „Grape Ale“! Ein Bier mit Weintrauben. Gemeinsam mit dem Bad Cannstatter Hobbybrauer Markus Schmitt und dessen Cannstatter Keller Bräu.

Dieses Craft Bier wird aus ausgewählten Hopfen- und Malzsorten gebraut, zusammen mit angegorenem Traubenmost. Den „Weinanteil“ im Craft Bier stellte bei der Erstauflage im letzten Winter ein Fellbacher Muskattrollinger. Heraus kam dabei ein angenehm rötliches Getränk, das den Vorstand der Fellbacher Weingärtner, Tom Seibold, an das Red Ale in Irland erinnerte. 600 Flaschen wurden damals gebraut – und ruckzuck verkauft.

Markus Schmitt beim Brauen des Grape Ale

Markus Schmitt beim Brauen des ersten Grape Ale – damals noch mit dem roten Muskattrollinger

Die Idee zum Grape Ale – also zum „Trauben-Bier“ – stammt übrigens nicht von den Fellbacher Weingärtnern selbst, sondern von Markus Schmitt. Dieser hat hauptberuflich ein Unternehmen für Haustechnik in Fellbach, und er mag einfach die den Fellbacher Weingärtner. Die Verbindung kommt über die Fellbacher Weingeister, also die Narrenzunft des Fellbacher Carneval Club 1981 e.V.. Diese tragen zusammen mit den Fellbacher Weingärtnern einige Veranstaltungen aus, wie das jährlichen „Häsabstauben“ am 6. Januar.

Getrieben von der Vision, Menschen, die bisher nur Wein oder Bier trinken, aber nicht das jeweils andere, offen zu machen für die jeweils andere Seite, ging Markus Schmitt auf Gert Seibold, den Vorstand der Fellbacher Weingärtner, zu. Ob er nicht auch Lust darauf hätte, mal ein gemeinsames Craft Bier zu erzeugen. Und tatsächlich: Seibold gab Schmitt einen Teil seiner Süßreserve – also Traubensaft – für den geplanten Bier-Wein-Hybriden.

So entstanden die ersten 600 Flaschen Grape Ale – und waren innerhalb weniger Wochen ausverkauft. Und so entschlossen sich die Fellbacher, das Projekt in leicht abgewandelter Form zu wiederholen. Vom Muskattrollinger wechselte man zum Kerner. Der Grund: Kerner kommt etwas rassiger daher und verfügt über mehr Säurestruktur.

Das Bessere als Feind des Guten

Zweite Änderung: Für die Neuauflage des Grape Ale haben die Fellbacher keinen Saft mehr verwendet, sondern bereits angegorenen Traubenmost. Dieser bringt mehr Primäraromen des Weins in das Craft Bier ein, wodurch die Frucht des Weines im späteren Craft Bier deutlicher erkennbar wird. Sozusagen geschmacklich mehr Wein im Bier. Oder anders gesagt: Der fruchtige Weingeschmack und das Hopfige des Bieres ergänzen sich jetzt noch besser. Dieses neue Grape Ale wurde dann erneut von Markus Schmitt, der zur Vermarktung seiner Bierkreationen die Marke „Cannstatter Keller Bräu“ im Internet betreibt, gebraut.

Alle, die das Craft Bier bereits vorher probieren wollen: Für 3,90 Euro gibt es den Bier-Wein-Hybriden in der 0,33l Flasche bei den Fellbacher Weingärtnern und dem Cannstatter Keller Bräu.

Neuester Innovations-Clou: Die 0,75 Liter Mehrwegflasche

Hierüber haben wir bereits mehrere eigene Beiträge verfasst – die zwei Neuesten findet Ihr hier und hier.

Immer informiert über Aktuelles aus der Wein Heimat Württemberg – heute zum Stichwort Innovation – hier auf dem Wein Heimat Blog.

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Stand: 04. Oktober 2023


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