Rolf Allmendinger

„Mit Zuversicht gemeinsam in die Zukunft“

Er ist ein Visionär mit Bodenhaftung – Rolf Allmendinger, bis vor kurzem Vorstandsvorsitzender der Lembergerland Kellerei Rosswag. In dieser Funktion ist er unlängst in Ruhestand gegangen – wir hatten ihn im Interview.

Herr Allmendinger, fällt Ihnen die Umstellung noch schwer?

(lacht) Ich denke schon. Jedenfalls habe ich ich jedes Mal so ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich an der Lembergerland Kellerei vorbeifahre. Dann spüre ich den Drang, anzuhalten und mal reinzuschauen. Es fühlt sich ein bisschen an wie am Haus des Lieblingsonkels oder besten Freundes vorbeizufahren.

Lassen Sie uns über Ihre Anfänge als Vorstand bei der Lembergerland Kellerei reden: Was haben Sie angetroffen – und wo wollten Sie hin?

Als ich 2011 Vorstandsvorsitzender wurde, hatte ich zuvor bereits sieben Jahre im Aufsichtsrat gesessen – ich wusste also, auf was ich mich einlasse. Und dann ging es auch gleich richtig los: Schon vier Wochen nach meinem Antritt in der neuen Position stand das 75-jährige Jubiläum der Genossenschaft an, und damit gleich ein Auftakt mit Pauken und Trompeten.

Eben war die Neue Kelter gebaut worden und die technische Ausstattung auf dem neuesten Stand. Jetzt ging es darum, die Vermarktung der Weine voranzubringen. Den Schwerpunkt der Arbeit ein wenig von der Produktions- auf die Marketingseite zu bringen. Stichwort Marketing, ich hatte Glück: Geschäftsführer Bertram Haak – er war erst zwei Jahre vorher zu unserer Genossenschaft gekommen – und ich funkten auf einer Wellenlänge. Sein späterer Nachfolger Christian Kaiser übrigens auch. Ohne die exzellente Zusammenarbeit mit den Beiden wäre meine Arbeit bei der Lembergerland Kellerei auf keinen Fall die Gleiche gewesen. Jedenfalls spielten wir uns die Bälle zu und bauten sukzessiv ein zeitgemäßes Image mit konsequentem Marketing auf.

Was waren ihre ersten Schritte und Projekte?

Angesichts einer größeren unbewirtschafteten Fläche in spektakulärer Lage haben wir uns gefragt: Was tun wir mit solchen Flächen? Die Antwort lag darin, die Denkspur des bisherigen, rein auf Familien als Besitzer der Steillagen bezogene Denken zu verlassen und die positiven Aspekte unserer Steillagen in den Fokus zu stellen. In Gemeinschaft ein exklusives Projekt zu stemmen, bei dem Quereinsteiger mit Unterstützung von gestandenen Wengertern die Besonderheiten der Terassenlagen kennen und schätzen lernen sollen. Das war das Ziel. So gründeten wir das Projekt „Wengerter für ein Jahr“.

Der Kurs, bei dem Freiwillige ein Jahr lang Reben in der Steillage kultivieren und am Ende zusammen mit dem Kellermeister ihren eigenen Wein daraus erzeugen…

Genau! Und siehe da: Nicht nur, dass der Kurs äußerst gefragt war, auch im Innenmarketing zeigte das Wirkung. Die Weingärtner haben realisiert: Es gibt eben auch andere Aspekte. Wenn es Leute gibt, die dafür bezahlen, in der Stellage arbeiten zu dürfen, dann ist das auch eine tolle Anerkennung der Arbeit der Weingärtner. Denn wissen Sie: Wir müssen aus dem Bild  herauskommen, dass Steillagen wirtschaftlich unrentabel und mit schwerer körperlichen Arbeit verbunden sind. Das Jammern bringt uns kein Stückchen weiter.

Nein: Es geht vielmehr darum, den Menschen zu zeigen, dass Arbeit in den Terrassen sinnstiftend sein kann. Wenn man mithelfen kann, dieses kulturelle Erbe nicht nur zu erhalten, sondern zukunftsfähig zu machen, erfüllt das manchen auch mit ein bisschen Stolz. Besonders wenn die Arbeit in Form von Wein mit eigenem Namen auf dem Etikett belohnt wird. Deshalb müssen wir auch künftig Hürden für Quereinsteiger beiseite räumen und Unterstützung anbieten.

In Orten mit traditionellem Weinbau ist meist ein besonderes ausgeprägtes Heimatbewusstsein anzutreffen. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Landschaft, sondern formt auch das Lebensgefühl einer Region. Da haben wir auch heute noch nicht alles ausgeschöpft.

Jedenfalls war von Anfang an mein Credo: Wir halten uns nicht mit dem Lamento über Probleme auf, sondern nutzen unsere Energie, um Lösungen zu finden. Terrasierte Steillagen als Alleinstellungsmerkmal, auf dem unser Marketing aufgebaut wird. Motto: Gute Weine haben viele, aber diese Landschaft hat nicht jeder! Übrigens, ganz nebenbei: Einige der Wengerter für ein Jahr haben sich inzwischen eigene Steillagenparzellen gekauft und sind Mitglieder geworden.

Ist die logische Fortsetzung jetzt das Lembergerland Steillagenkollektiv – das Projekt, bei dem Jedermann dabei sein und mit seinem Geldbeitrag Weingärtner beim nachhaltigen Wirtschaften unterstützen kann?

Wenn Sie so wollen: Ja! Bei diesem Projekt geht es darum, den Menschen zu zeigen, was für ein tolles Erbe diese Kulturlandschaft ist – und eine Zukunftsperspektive daraus abzuleiten. Allen daran Beteiligten und den Außenstehenden vermitteln: Weinbau ist Kulturgut. Darauf können wir Weingärtner stolz sein. Denn: Wir pflegen unsere Heimat und ohne sie würden wir eine Menge Identität verlieren. Die Wengerter des Steillagenkollektivs bewirtschaften ihre Flächen nach einem vorgegebenen Codex. Geber und Empfänger agieren in die gleiche Richtung und übernehmen somit ein Stück weit gemeinsam Verantwortung.

Jeder Geldgeber bekommt ein Namensschild in den Reben. Mit Treffen, Führungen und exklusiven Weinpaketen fördern wir das Gefühl der Zugehörigkeit. Die Geldgeber sehen direkt, was sie fördern. Jeder der möchte, kann dabei sein, mit einer Spende – so schaffen wir ganz nebenbei jede Menge Imageträger und Multiplikatoren.

Worauf führen Sie zurück, mit Ihren Ideen so oft ins Schwarze getroffen zu haben?

Ich denke, entscheidend war, dass ich versucht habe, öfter mal einen Schritt zur Seite treten und von außen, aus der Sicht des Kunden auf unsere Situation zu blicken. So ein Perspektivwechsel kann ganz neue Einsichten reifen lassen, eine ganz neue Wahrnehmung ermöglichen.

In welchem Ihrer Projekte findet sich dieser Gedanke besonders?

Zunächst einmal in der neuen Namensgebung und dem neuen Logo. Die Genossenschaftskellerei Rosswag-Mühlhausen eG haben wir umfirmiert in den viel eingängigeren Namen Lembergerland Kellerei Roßwag. Das übliche Ortswappen wurde durch ein von mir gestaltetes Logo mit dem fliegenden Schwan ersetzt. Das war der wohl wichtigste Schritt, um unsere Genossenschaft als Marke zu etablieren.

Perspektivenwechsel wollten wir auch für andere möglich machen. In der Ballonfahrt über das Lembergerland. Die meisten Menschen – falls überhaupt – fahren vielleicht ein oder zweimal im Leben im Ballon. Wenn Sie dann über das Lembergerland fahren, die herrliche Landschaft sehen und dabei noch eine Weinprobe machen können, haben Sie gleich eine ganz andere Wahrnehmung unserer Heimat. Sie werden für immer ihr persönliches Erlebnis der Ballonfahrt mit dem Genuss unserer Weine in Verbindung bringen – so wird unsere Kulturlandschaft ideal kommuniziert.

Ihr wahrscheinlich bekanntestes und breitenwirksamstes Projekt ist der 401 Stäffele Teamlauf? Wie ist er entstanden?

Als wir 2012 einem unserer Weine den Namen „401“ gegeben haben – in Anlehnung an die Anzahl der Stäffele in der Rosswager Halde – wollten wir das Ganze in eine öffentlichkeitswirksame Aktion einbinden. Eine, die die Steillage in einem Umfeld präsentiert, das man nicht erwarten würde. Und das war der Sport. Aus unserer Sicht übrigens gar nicht weit hergeholt, das passte sehr gut, weil unsere Weingärtner bei der Arbeit in den Reben ja auch körperliche Höchstleistungen bringen: Stäffele rauf, Stäffele runter, da kommt man ins Schwitzen…fast so wie beim 401 Stäffele Teamlauf (schmunzelt).

Welchen Platz nehmen die PIWIS innerhalb dieser Strategie ein?

Auch sie sind Teil der Strategie und passen perfekt zum omnipräsenten Thema Nachhaltigkeit. Mit den neuen Sorten kommen wir den gesellschaftlichen Erwartungen entgegen. Diese Sorten werden sich etablieren.

Schon seit einigen Jahren vermarkten wir die PIWIS in unserer NOVUM Weinlinie und seit kurzem sind wir Mitglied beim Projekt ZUKUNFTSWEINE, mit dem bundesweit der Bekanntheitsgrad dieser Sorten gesteigert werden soll.

Wo wird die Lembergerland Kellerei 2030 stehen? Was wird sie dann bewegen?

Ich gehe davon aus, dass sich die Individualisierung in allen Lebensbereichen fortsetzen wird. Auch die Transformationsprozesse besonders im landwirtschaftlichen Bereich werden uns fordern. Die Einbindung unserer Produkte und ihrer Erzeugung in ein emotionales Umfeld werden mit Sicherheit künftig noch mehr Raum einnehmen. Wein ist immer auch Emotion.

Unsere Arbeit hat mehr gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung verdient. Ich wünsche mir, dass die Bedeutung des Themas Nebenerwerb im landwirtschaftlichen Bereich in der ganzen Bandbreite endlich auch von der Politik erkannt und entsprechend gehandelt wird.

Und: Ich hoffe, dass sich die Lembergerland Kellerei bis dahin weiter kräftig mit den anderen Württemberger Weingärtnergenossenschaften vernetzt haben wird, weil früher oder später alle erkannt haben werden, dass uns dieses Miteinander hilft. Genossenschaft war für mich nie begrenzt nur auf meine Mitglieder – denken Sie nur an unser Steillagenprojekt „Weinbergwerk“, zusammen mit vier weiteren Genossenschaften. So etwas darf gerne ganz bald ganz alltäglich werden.

Nirgends in Deutschland gibt es eine so hohe Zahl und Konzentration an Genossenschaften wie in Württemberg – das müssen wir nutzen und den Menschen noch stärker deren Benefit kommunizieren: Zusammenarbeiten statt Ellbogen raus. Wir sind die Antwort auf die Frage nach Zusammenhalt, Geborgenheit und Sicherheit. Wir verstehen die Menschen und schaffen gemeinsam mit ihnen eine positive Zukunftsperspektive – oder wie es mein Aufsichtsratsvorsitzender Bernhard Ritz bei meiner Verabschiedung so schön sagte: „Mit Zuversicht gemeinsam in die Zukunft“.

Württemberg ist Genussregion für Augen, Gaumen, Geist und Seele. Das ist zu einem erheblichen Anteil auch unseren Genossenschaften mit ihren Mitgliedern zu verdanken.

Immer aktuell informiert über das Neueste aus der Weinheimat Württemberg – heute zum Heilbronner Trollinger Marathon – im Weinheimat Blog.

Ihr findet uns außerdem auch auf Facebook und Instagram. Deshalb freuen wir uns auch dort auf Euch und über ein Like. 

 

 


Jetzt teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Informationen zu Cookies und Analysetools

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Mit Ihrer Bestätigung stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.