Dr. Reustle im Interview zu neuen Rebsorten, mit Rotweinglas in den Weinbergen nahe der Felsengärten

Neue Rebsorten in der Weinheimat

Auch die Weinheimat Württemberg entwickelt sich weiter – mit neuen Rebsorten. Einer der Experten hierfür, in Wissenschaft und Praxis, ist Dr. Götz Reustle, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Felsengartenkellerei Besigheim. Wir haben mit ihm gesprochen…

Dr. Götz Reustle von der Felsengartenkellerei Besigheim

Dr. Götz Reustle

Es gibt kaum ein Kulturgut, in dem so viel Tradition steckt wie im Wein. Dennoch schafft es die kleine Traube immer wieder, sich selbst neu zu erfinden (zugegeben: Wir helfen ihr dabei 😉 ). Einer, der sich sein Leben lang mit der Rebenzüchtung beschäftigt hat und sich zusätzlich aktiv für den Erhalt der Württemberger Steillagen einsetzt, ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Felsengartenkellerei Besigheim, Dr. Götz Reustle. Wir haben mit ihm gesprochen und ihn zu den neuesten Entwicklungen der Rebsorten in der Weinheimat befragt.

Weshalb züchtet man neue Sorten? Wofür benötigt man sie?

Dr. Götz Reustle: In der Basis gibt es dafür vier Gründe, die sich teils gegenseitig bedingen. Zum einen sind da die ökonomischen. Hierbei geht es um die Einsparung von Kosten und Mitteln in der Bewirtschaftung der Rebflächen, aber auch um die Marktanforderungen. So waren in den letzten Jahren zum Beispiel farbintensive Rotweine sehr gefragt. Also bemühte man sich, dem mit neuen Züchtungen nachzukommen.

Hinzu kommen die agronomischen, also die landwirtschaftlichen Gründe. Was kann man tun, um den Weinbau zu verbessern? Wie erzielt man einen moderateren Pflegeaufwand? Was kann man tun, um dem Klimawandel zu trotzen? Also, wie macht man den Wein unempfindlicher bei bspw. starker Sonneneinstrahlung oder geringen Niederschlägen

Der dritte Grund liegt in der Ökologie. Dabei dreht sich momentan alles darum, mit widerstandsfähigen Rebsorten Pflanzenschutzmittel so gut es geht einsparen zu können.

Nicht zuletzt geht es um önologische Gründe – also darum, wie man stetig die Weinqualität verbessern und an die Geschmäcker der Konsumenten anpassen kann.

TraubenWelche Faktoren spielen bei der Züchtung eine Rolle?

Reustle: Ganz besonders weit vorn als „Bedingungssteller“ sind derzeit auf alle Fälle die klimatischen Faktoren, denen es sich anzupassen gilt. Da hinein spielen auch die Standortbedingungen. Mit den wärmer werdenden Temperaturen verändern sich traditionelle Anbaugebiete. Essenziell ist hierbei für die Winzer und Weingärtner schließlich die Ertragsstabilität, zu der unter anderem die Fäulnisfestigkeit der Trauben zählt.

Der Fokus liegt aktuell in der Entwicklung sogenannter PiWis – den pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. In der Züchtung erreicht man diese durch Kreuzungen klassischer Sorten wie dem Lemberger mit krankheitsresistenten Sorten aus bspw. Asien oder Amerika, die jedoch kaum Weinqualität besitzen. Durch mehrfache Züchtungsschritte versucht man Resistenzeigenschaften und Weinqualität in den neuen Sorten zu kombinieren.

Wie weit sind wir in Württemberg in der Entwicklung im internationalen Vergleich?

Reustle: In Württemberg herrscht eine lange Tradition der Rebenzucht. Sie begann schon 1907 an der Württembergischen Anstalt für Rebenzüchtung und Rebenpfropfung in Offenau bei Heilbronn und hat schon viele neue Rebsorten für den Weinbau hervorgebracht. Man muss bedenken, dass eine Züchtung sehr aufwändig und zeitintensiv ist. Gut und gerne benötigt die Entwicklung einer neuen Rebsorte vom finalen Kreuzungsschritt über mehrere Prüfungsschritte bis zur Freigabe zum Anbau 25 bis 30 Jahre. Dazu kommt die Zeit, die es dann noch braucht, bis sich die neue Sorte auch am Markt durchsetzen kann. Zusammen mit anderen deutschen Züchtungsinstituten war Württemberg Vorreiter in der Rebenzüchtung. Mittlerweile haben Züchtungsinstitute in Europa nachgezogen.

Welche Sorten sind denn neu? Und gibt es davon bereits Weine zu kaufen?

Reustle: Selbstverständlich sehen wir seit einigen Jahren schon Sorten, die nicht zur Tradition gehören. Ein Beispiel dafür sind die Cabernet-Kreuzungen oder der Acolon. Diese Weine sind nicht resistent gegen Pilzbefall, haben sich aber aufgrund ihrer kräftigen Farbe bereits etabliert. Damit entsprechen sie nämlich den bereits erwähnten aktuellen Marktanforderungen.

Bei den PiWis (pilzwiderstandsfähigen Sorten) sieht es noch etwas anders aus. Wenn man so will, wurde erst Anfang der 90er Jahre mit dem Regent die erste PiWi-Rebsorte für den Qualitätsweinanbau zugelassen. Diese setzte sich aber nicht wirklich durch. Inzwischen gibt es jedoch immer mehr dieser PiWi-Sorten im Anbau. Weine aus solchen nachhaltiger erzeugten Trauben sind noch selten sortenrein in der Vermarktung. Die wachsende Aufmerksamkeit für nachhaltig erzeugte Produkte lässt eine zunehmende Beliebtheit solcher Weine wie Sauvignac oder Satin Noir erwarten.

Das derzeitige Konzept in der Rebenzüchtung ist ganz klar. Nämlich Sorten mit guter Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischen (Schädlinge, Pilzkrankheiten) und abiotischen (Hitze, Trockenheit) Stressfaktoren zu entwickeln. Für Württemberg spielt dabei auch die Anpassung an die besonderen klimatischen Bedingungen der Steillagen eine Rolle. Besonders in den Steillagen, wo Pflanzenschutzmaßnahmen nur sehr aufwändig erfolgen können, bieten diese Sorten eine große Chance. Weine aus diesen Trauben in sogenannten Cuvées zusammenzuführen und unter dem Aspekt „nachhaltiger Weinbau in Steillagen“ zu vertreiben, hat das Potential für ein erfolgreiches Vermarktungskonzept. Generell lässt sich aber sagen, dass sich die Sortenzüchtung immer weiter entwickelt und somit effektiver wird.

Gibt es historische Rebsorten, die nun wieder einen Aufschwung erfahren könnten?

Reustle: Die wichtigsten Rebsorten weltweit und auch in Württemberg sind historischen Ursprungs. Sorten wie der Riesling oder Lemberger existieren seit Jahrhunderten, den Muskateller haben sogar schon die Ägypter in Kultur genommen.

Was jedoch wieder auftaucht, sind Sorten von regionaler Bedeutung. Sie werden oft nur lokal angebaut und sind häufig Abkömmlinge der großen Sorten. Der Mehrwert für den Winzer in der Vermarktung ergibt sich durch ihre Regionalität und/oder Besonderheit. Beispiel hierfür sind Aligoté im Burgund oder Touriga National in Portugal.

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